Burgis lüften Geheimnis der drei Tenöre


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Die Burgschauspieler entdecken weitere Talente. In „Das Geheimnis der drei Tenöre“ wird gesungen:
Juliane Rödl (liegend), dahinter v. li.: Benjamin Peschke, Linda Kratz, Richard El-Duweik, Volker Steuernagel,
Katrin Thunig und Dirk Büttner. Foto: Uta Kindermann


Volker Steuernagel kaut eifrig Bubble-Gum. Dirk Büttner sucht seine Hose. Juliane Rödl wird zehnmal von Benjamin Peschke auf Händen getragen. Linda Kratz avanciert zur ungarischen Star-Sopranistin. Zahnarzt Richard El-Duweik schmettert Schmacht-Arien.
Jutta Paetow-Meyer näht Weintrauben auf einen Strohhut. Kerstin Adner fällt kichernd beinahe vom Soufflierstuhl. Regisseurin Uta Kindermann stolpert über einen Zementsack. Das Grammophon wackelt – Auf der Burg herrscht der ganz normale Wahnsinn: Die Proben für „Das Geheimnis der drei Tenöre“ sind in vollem Gange – und der Burghof noch Lagerplatz für die Turmbaustelle.

Ken Ludwigs Broadway-Komödie entführt zum Auftakt der Burgfestspiele das Publikum nach Paris ins Jahr 1936, wo in einem Grand-Hotel große Aufregung herrscht. Ein Jahrhundertkonzert steht bevor: Die berühmtesten drei Tenöre der Welt auf einer Bühne. Doch ausgerechnet drei von Dreien springen ab. Auf der Suche nach Ersatz kommt es zu irrwitzigen Verwechslungen, Verwicklungen und hohen C’s.

Regisseurin Uta Kindermann dirigiert die Proben. Es geht um Sangeskunst. Deshalb haben die Burgschauspieler einen Gesangsprofi geholt.

Burgis bereiten sich mit Schmachtlocke auf die 30er Jahre vor

Opernsängerin Enikö Szendrey, Gesangspädagogin und Chorleiterin, war lange solistisch auf vielen Bühnen unterwegs. Sie entlockt dem Eppsteiner Ensemble Töne, die keiner erwartet. „Wir machen es nun mit Text. Sprechen, nicht singen. Wir marschieren dazu. Rhythmus vor Schönheit.“ Und die Tenöre Büttner, El-Duweik und Peschke stampfen taktvoll, während das „Brindisi“ aus „La Traviata“ in ihren Kehlen Gestalt annimmt. „Auch wenn wir später auf Playbacks zurückgreifen, werden alle Gesangsnummern einstudiert. Das ist eine faszinierende Erfahrung für jeden“, meint Uta Kindermann, „es gibt im Theater neben einem starken Ensemble keine stärkere Partnerin als die Musik“.

Und Katrin Thunig, die die Mimi spielt, merkt an: „Das ,Wir’ wird bei uns großgeschrieben: Alle sind gleich. Ob Schauspieler, Helfer oder passives Mitglied“. „Immer ist was los bei uns. Jeder darf und kann etwas tun“, freut sich Kostümverantwortliche Helga Terzka. Auch Meisterfriseur und Visagist Markus Moldan ist willkommen. Der Spezialist für Kopfmode der 1930er Jahre sprüht Ideen, Haarspray und Airbrush Make-up. Ob Schmachtlocke oder Fönwelle, er bringt Hairflair auf die Burg. „Und bitte auch die Männer Lipgloss“, was bei den Herren für einkaufstechnische Grundverwirrung sorgt. „Jeder bekommt seinen eigenen Lippenstift mit Namen drauf“, erklärt Markus Moldan. Aus hygienischen und pandemischen Aspekten.

Covid19 traf auch die Kulturarbeit der Burgschauspieler. Die Vorbereitung der „Tenöre“ begann mitten in der Pandemie. Nur negativ Getestete durften bei den Proben positive Stimmung verbreiten. Trotz aller Vorsicht gab es Ausfälle. Juliane Rödl erklärt: „Deshalb ist das Stück etwas kürzer als in früheren Jahren. Es wird dennoch eine Pause geben.“

Von Probenausfällen ließen sich die Burgschauspieler nicht beeindrucken. Umso mehr lernten sie Text, übten Arien vor der entzückten oder irritierten Familie. Dirk Büttner alias Startenor Carlo spricht allen Burgis aus dem Herzen: „(Burg)schauspielen heißt Sprache, Ausdruck, Interaktion, Gedanken auf Papier, die lebendig werden.“ Benjamin Peschke mimt den berühmten Tenor Tito und dessen Doppelgänger Beppo. Peschke spielte erstmals 2015 in „Peterchens Mondfahrt“ eine größere Rolle. Davor war er schon in kleinen Spielszenen, in der Walpurgisnacht und bei Mittelalterveranstaltungen, zu sehen. Die Frage, wie wichtig ihm die Hauptrolle ist, beantwortet er charmant: „Für mich sind Hauptrollen vor allem eines: Herausforderungen. Mich reizt nicht die Größe der Rolle. Mich reizt deren Darstellung. Ich freue mich, auf der Bühne zu stehen, die Reaktion der Leute zu spüren.“

Zum jetzigen Zeitpunkt kann man nur erahnen, wie die Bühne später aussehen wird. Die Sanierung des Bergfrieds ist noch nicht beendet. Auf Paletten liegen Steine. Ein Fahrstuhl klebt am Burgturm. Uta Kindermanns Vision: „Die Tenöre schweben am Schluss mit dem Aufzug in die Höhe. In den Olymp der Sänger.“ Ihr Vorschlag wird abgelehnt. Auch unter diesen erschwerten Bedingungen haben die Burgschauspieler viel Spaß. „Wir sind nun mal eine bunte Truppe jeden Alters, verschiedenster Berufe. Uns alle eint die Liebe zum Spielen“, versichert Richard El-Duweik.
Er wird als aufstrebender Tenor Max zu sehen sein. Linda Kratz, in der Rolle der ungarischen Sopranistin, schwärmt: „Diese Gemeinschaft ist mir so wichtig. Gemeinsame Ziele, zusammen feiern, Halt geben, wenn es jemandem schlecht geht.“

Nach der größten Herausforderung 2022 gefragt, ergreift Juliane Rödl das Wort, die die Maria Mirelli spielt: „Unsere Baustelle, die Juchhe. Wir wünschen uns, dass wir sie bald einweihen können. Viel Kraft und Zeit kostet sie uns. Entzieht manchmal alle Spielfreude. Gut, dass man dann eine Regisseurin wie Uta Kindermann hat. Mit ihren skurrilen Ideen lenkt sie den Fokus wieder zurück zum Theaterspiel. Die Proben auf einer Baustelle sind eine Herausforderung. Ebenso unser Kinderstück, erstmals im Sommer.“

1913 hob Fürst Christian Ernst zu Stolberg-Wernigerode zusammen mit Burgkurator Franz Burkhard die ersten Burgfestspiele aus der Wiege. 300 Laiendarsteller belagerten damals die Bühne. Das Publikum saß auf den Schutthügeln der Kemenate und des Palas. 1966 gründete Heimatdichter Ludwig Löber die erste Laienspielgruppe, die sich seit 1984 „Eppsteiner Burgschauspieler“ nennt.

Damals wie heute hätte Volker Steuernagel als Konzertmanager Saunders versichert: „Ich liebe das Theater. Die Burgis. Auch wenn der Spagat zwischen Familie, Bühne und Burg nicht leicht ist. Ich liebe es, zusammen mit dem Vorstand Ideen zum Leben zu erwecken, sich blind zu vertrauen.“

Elf Jahrhunderte Burg Eppstein. 109 Jahre Eppsteiner Burgfestspiele. 66 Jahre Burgschauspieler. Was wünscht sich Juliane Rödl für die Zukunft? Sie schweigt kurz und lächelt: „Die Burgschauspieler spüren die besondere Kraft, die vom Verein ausgeht. Den Respekt und die Wertschätzung füreinander. Mein Wunsch ist, dass Mitglieder heranwachsen und hinzukommen. Dass sie diesen Spirit weitertragen in die nächste Generation.“ Dann greift sie nach einer großen Hutschachtel und rennt auf die Bühne. Dort wird sie gebraucht. Was ist das Geheimnis der drei Tenöre? Das Geheimnis der über 100 Burgschauspieler jedenfalls ist bedingungslose Begeisterung.

Vorstellungen am 25. und 26. Juni / 2. und 3. Juli um 19.30 Uhr auf Burg Eppstein. Der Vorverkauf läuft. Karten gibt es unter www.frankfurtticket.de und an der Abendkasse.

Uta Kindermann für Eppsteiner Zeitung 25.05.2022